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Viele hofften, Obama würde Amerika europäischer machen. Sie wurden enttäuscht.

© Mandel Ngan/AFP

Zu schwach zur Reform: Amerika kommt auch unter Barack Obama nicht weiter

Die USA lernen nicht aus ihren Fehlern – nicht aus Ferguson, nicht aus Baltimore, nicht aus dem Überwachungsskandal, nicht aus dem Drohnenkrieg. Ein Kommentar zu einem Land, das stillsteht.

Ein Kommentar von Christian Tretbar

Ist Amerika zur Reform fähig? Nach Michael Brown in Ferguson, nach Eric Garner auf Staten Island und nach dem Tod von Scott Walker in Charleston sterben immer noch schwarze Männer und Jungen beim – in gebotener Vorsicht formuliert – Zusammentreffen mit der Polizei. Auch die Welle der Empörung, die im vergangenen Jahr durch das Land lief, hat nichts daran geändert, dass eine Vielzahl vornehmlich weißer Polizisten schwarze Jugendliche wie Aussätzige behandelt. Sie sind abstoßend, unnütz, und schnell auch mal das Ziel einer Waffe.

„Black lives matter“, tragen die Menschen auf Plakaten und ihren T-Shirts. Doch es ist, als ob Bewusstseinsbildung in nationalem Maßstab nicht stattfindet.

Der FBI-Skandal hat offenbar keinen Einfluss auf die Debatte um die Todesstrafe

Auf Grundlage von Haaranalysen des FBI kommen hunderte Verdächtige ins Gefängnis, einige davon werden hingerichtet. Erst nach erwiesenen Fehlurteilen stimmt das Justizministerium einer unabhängigen Prüfung zu. 250 Fälle stehen infrage, von den bisher geprüften 268 sind 257 angebliche überführende Haaranalysen nicht stichhaltig. 20 Menschen aber wurden bereits exekutiert. Was diskutiert Amerika? Dass man wieder die Hinrichtung mit Erschießungskommandos einführen könnte.

Welche Lehren haben die Amerikaner aus dem NSA-Skandal um Edward Snowden gezogen? Im Wesentlichen nur eine: Man muss die eigenen Reihen von Verrätern sauber halten. Jenseits dessen hört die NSA ohne Scham weiter deutsche Firmen und offenbar auch die Bundesregierung in größerem Maßstab ab als bisher bekannt.

Der Drohnenkrieg geht weiter

Amerika sendet Drohnen nach Pakistan, nach Afghanistan, nach Somalia und in den Jemen und tötet hunderte Unschuldiger im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus. Auf die weltweiten Proteste reagiert das Land mit ausgefeilterer Technologie und muss nun dennoch den Tod von Landsleuten zugeben.

Wann wenn nicht unter Barack Obama sollte dieses Land zur Vernunft kommen? Der erste schwarze Präsident war angetreten, Rassismus und Intoleranz zu bekämpfen. Die Kriege in Irak und in Afghanistan wollte er beenden, Guantanamo schließen und humane Werte wieder zur Grundlage der amerikanischen Politik machen. Doch Amerika hat, so scheint es, nicht mehr die nötige Kraft zur Reform. Innen- wie außenpolitisch ringt Obama mit einem zerrissenen Land. Wie ein Symbol erscheint die Unfähigkeit der Machthaber in Washington, einen längerfristigen Haushalt für das große Land zu entwerfen. Nicht einmal über die grundlegenden Prinzipien ist Einigung möglich – nicht über ein Miteinander von Schwarz und Weiß.

Der Gewaltausbruch in Baltimore kommt nicht unerwartet

Der Gewaltausbruch in Baltimore kommt weder unerwartet, noch kann die Heftigkeit überraschen, mit der die Jugendlichen auf die Straße gehen. Tod um Tod wird ihr Gefühl bestärkt, ausgeliefert zu sein. In einer Situation, in der Jugendliche in afro-amerikanischen Vierteln dem weißen Amerika ohnehin den Rücken zugewendet haben, braucht es wenig mehr als einen weiteren Zwischenfall, bei dem der Eindruck entsteht, wieder einmal werde kein Polizist zur Verantwortung gezogen.

Und so bleibt nur die Frage, wo und wann das nächste tödliche Treffen stattfindet.

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